Dienstag, 25. Mai 2010

"Das kann man nicht twittern"

      
Ein treffendes Motto hatten sich die Macher des feinen Orange-Blossom-Special-Festivals da diesmal ausgesucht. Denn die Bandbreite der vertretenen Musikrichtungen lässt sich nicht mit 140 Zeichen beschreiben. Außerdem geht es gemächlich zu im Weserbergland. Dies und ein paar Gründe mehr lassen uns seit nunmehr neun Jahren zu Pfingsten den Bandbus mit allerlei Camping- und Festivalequipment und unseren (inzwischen teilweise erwachsenen) Kindern beladen und fünf Stunden Anreise quer durch Deutschland auf uns nehmen. Üblicherweise reisen wir Freitagabend erst an, doch das Programm war in diesem Jahr schon am ersten Tag so hochkarätig, dass wir den noch schulpflichtigen Kids einen Freistellungsantrag für den Unterricht schreiben mussten - wichtige familiäre Angelegenheit! Ein bisschen schade fand ich das schon, dass da drei Acts am Anfang des Wochenendes schon "verbraten" wurden, doch ich mutmaße pekuniäre Beweggründe (freitags sind Bands billiger zu buchen als am Wochenende). Egal, wir schafften es fast, rechtzeitig zur Eröffnung dazusein. Die Kids sahen den Opener UNBUNNY und ich baute derweil mit Schorsch die Zelte auf.


EARTHBEND war dann unser Festivalauftakt. Aus Finsterwalde (!) kommendund klassischen Gitarrenrock zelebrierend. Mountain? Hendrix? Na so in etwa. Stylisch perfekt (Marschall-Retroamp und fast alles, was Gibson an Klassikern auf den Markt geworfen hat) und spieltechnisch voll auf der Höhe. Vor allem der Drummer war eine Sahne! Ich liebe ja sowieso Trio-Besetzung und diese war perfekt aufeinander eingespielt. Ich fands gut, aber nach einer Stunde war's dann auch genug.

Danach kam nämlich David Eugene Edwards mit WOVEN HAND. Ihn habe ich mittlerweile mehrfach live gesehen und bin immer wieder aufs Neue beeindruckt von dieser Intensität. Ich kann nicht verstehen, wenn das Gebahren des Frontmannes als Spinnerei abgetan wird. Ich bin überzeugt, dieser Mann meint es ernst.

Der nächste Künstler, WILLIAM FITZSIMMONS, sicher auch, obwohl er mit seinen, im niedlichen Deutsch vorgetragenen Ansagen eine wohltuende lockere Heiterheit verbreitete ("eigentlich kann ich gar kein deutsch...doch die Stimmung hier...es kommt aus mir heraus...aus meinem Bart). Um danach zu Herzen gehende Lieder darzubieten. Musikalisch über jeden Zweifel erhaben. Mein Highlight am Freitagabend!

Seit einigen Jahren trollt sich dann ein Großteil des Publikums Richtung Stadtkrug, um zu Konservenmusik abzutanzen. Das ist nichts für uns. Wir setzen uns noch auf ein letztes Bier an die Weser und freuen uns später beim Einschlafen auf den nächsten Tag...

Der begann offiziell mit den CHAMPIONS. Die letzten zwei Titel, die ich mitbekommen habe, waren nicht so mein Ding. Etwas zu bemüht für meinen Geschmack.

Mit THE INNITS konnte ich schon mehr anfangen. Singender Schlagzeuger, Pose wie Levon Helm, cool. Allerdings weiß ich gar nicht, ob das alles nur ein Gefälligkeitsdienst war. Auf der Bandsite gibt es keine Gigs (und wer so gut spielt, der HAT gigs!).

Von GARDA, die aus Dresden kommen und sehr gelobt werden im Moment, habe ich wenig mitbekommen. Ich war zu sehr auf die nächste Band fokussiert und am frühen Nachmittag nicht auf Musik zum Träumen eingestellt. Aber der Applaus am Ende war schon sehr euphorisch.

Dann kamen THE DEATH LETTERS aus den Niederlanden. Ich glaube ja, R-Man, der Labelchef von Glitterhouse und Stag-O-Lee hätte die beiden gerne als archaisches Bluesduo vermarktet. Was aber da von der Bühne kam, war lupenreiner Punkrock. Die Fotografen wichen einen Meter von der Bühnenkante zurück, als der Gitarrist und Sänger urplötzlich in ihre Richtung sprang. Das war eine ganz große Show! Dafür gehe ich auf Livekonzerte und nicht für Bands, die ihre Platten abspielen! Phantastisch!!!


Danach mochte ich mir eigentlich TAMIKREST aus Mali anschauen, doch leider enterte zuerst Chris Eckman die Bühne, quasi der "Entdecker" der Touareg-Combo. Und ihn habe ich schon so oft gesehen, wie ich OBSse erlebt habe. Mein Sohn erzählte mir später, er habe ein T-Shirt gesehen, mit der Aufschrift "I'm not Eckman". Na, nix für ungut. Der gute Mann hat früher sicher viel für Glitterhouse geleistet und sich damit ein lebenslanges Auftrittsrecht gesichert. Tamikrest kamen bald danach, doch auch dafür hatte ich nicht die richtigen Antennen dabei. Nach drei Songs drehte eine Runde über den Zeltplatz.

KASHMIR, die gehypten (es gab z.B. ein abgesperrtes Areal: freizuhalten für Kashmir-Nightliner), führten sich ebenso auf und gingen mir eher auf die Nerven. Doch das hatte ich mir vorher schon gedacht und war nicht enttäuscht, denn eine schöne Band kam noch.

KANTE. Hatte ich noch nicht gesehen. Haben mich sehr begeistert. Hier stimmte alles. Das sympathische Auftreten, die tolle Musik, die feinen Texte. Da muss ich unbedingt wieder hin. Derzeit spielen sie Theater in Dresden, mal sehen...

Am Sonntag ließ ich wieder die erste Band Band sein und ärgerte mich, dass ich nicht früher da war, als ich die letzten beiden Titel von THE FOG JOGGERS hörte und sah. Cool! Außer der Name, der mich abgeschreckt hatte...

Bei der nächsten Band stand ich direkt vor der Bühne, gute Gelegenheit, Michael J. Sheehy beim Gitarrestimmen abzulichten:



SAINT SILAS INTERCESSION heißt sein Sideproject mit Bruder Patrick und Garage Rock ist die Devise. Alles sauber arrangiert, ordentlich Druck, drei Sänger, aber irgendwie fehlt das I-Tüpfelchen auf dem Ganzen. Seine eigene Musik passt besser zu ihm, ist authentischer. Der Schluss war eigenartig abrupt: Das war's , Tschüß. Aber unterm Strich war's schon OK.

GOLDEN CANINE aus Schweden verpasste ich, warumauchimmer. Also ich sah sie wohl schon, doch hängengeblieben ist nur die Posaune. Aber dank der Tochter konnte ich das Versäumte nachholen. Die CD ist schön und erinnert mich an Port O'Brien, die immer noch auf Heavy Rotation läuft im Hause muldensound.

Dann erschien sie, auf die ich mich schon zwei Tage freute: GEMMA RAY mit fünfköpfiger Band. Es dauerte ein Weile, bis ihre ca. 20 Gitarreneffekte verkabelt waren, aber es war ja schon schön genug, ihr bei dieser Sache zuzusehen.


Doch dann ging's los. Traurigschöne Lieder, in vielen Farben schimmernd, den Blick in die unendliche Ferne gerichtet, mit voller Stimme  mal klagend, mal sehnsuchtsvoll, hach... Hatte ich bislang noch keine Platten von ihr zu Hause, jetzt habe ich sie alle.


Keine Minute ihres Auftritts war langweilig. Zum Schluss hin gab's noch einige Überraschungen. Blitzschnell zog sie das 30 cm lange Küchenmesser aus der Tremolohalterung ihrer Gitarre, spielte ein kurzes Slide und steckte es wieder weg, noch ehe die Fotografen ihre Auslöser gedrückt hatten. Leider versagte kurz darauf das zweite Gesangsmikrofon sein Dienst, als es gebraucht wurde (ich schiebe das definitiv auf den Soundman) und so gab es ein sicher ungewolltes Kabelgewirr und umfallendes Mikrostativ mit folgendem kollosalem Durcheinander auf der Bühne. Das tat mir sehr leid für G.R. , denn es blieb ein etwas hilfloses Gefühl nach einem überwältigenden Auftritt übrig. Danach konnte eigentlich nichts mehr kommen.


Es kamen noch MURDER BY DEATH. Schöne LP-Cover, noch schönere T-Shirt-Motive, doch wenn Du gerade 100 Minuten einer Engelsstimme gelauscht hast, ist Gesang aus dem Mittleren Westen der USA nicht das, wonach Du Dich sehnst.

THE GODFATHERS waren nicht schlecht für ihr Alter. Abgeklärter Sänger, ehrliche Punkrocksongs. Zu anderer Zeit am anderen Ort wäre ich begeistert gewesen.

Bei SAVOY GRAND musste ich dann nach einer halben Stunde müdigkeitsbedingt aufgeben. Es ist absolut richtig, mit einer leisen Band den Abend zu beschließen. Doch es muss mich, wie bei KANTE und WILLIAM FITZSIMMONS geschehen, schon sehr begeistern, weil um diese Zeit meine Batterien eigentlich schon leer sind.

Eines noch: Der Sound vor der Bühne war dieses Jahr bescheiden. (vornehm ausgedrückt). Wenn man bei einer, eigentlich rein akkustisch spielenden, Band es in 30 Meter Entfernung ohne Ohrstöpsel nicht aushält, kann das wohl nicht richtig sein. Und es Basstrommel heißt zwar auf englisch Kickdrum, doch sollte sie deswegen nicht wie eine Snare klingen. Zu laut, zu spitz, zu übersteuert, nicht schön, nein, gar nicht schön...

Doch deswegen lassen wir uns die Stimmung nicht vermiesen und fahren nächstes Jahr zu Pfingsten wieder nach Beverungen, denn das 15. wird wohl noch stattfinden, oder?


Am Abreisetag kriege ich IMMER den Blues, doch das hier war NICHT UNSER Zeltplatz...

Sonntag, 16. Mai 2010

Ziemlich kalt

   
Mitte Mai kann es abends frisch sein, damit ist zu rechnen. Doch dass das Thermometer nur 3 Grad über Null zeigen würde, das hatten wir nicht erwartet. Der Wind blies auch noch über die Reiche Zeche und die Bühnenbeleuchtung bestand zum großen Teil aus diesen neumodischen LED-Lampen, da war es auch mit der Strahlungswärme nicht weit her. 

Den Leuten vor der Bühne war mindestens genauso kalt und wer sich schon um diese frühe Zeit aufgemacht hatte, der fuhr erstmal ein. Unter Tage war's nämlich 10 Grad wärmer und Musik gab's ja dort auch. Würde ich genauso gemacht haben, wäre ich Publikum, wahrscheinlicher sogar wäre ich bei diesem Wetter gar nicht erst losgegangen. Umso schöner, dass doch geschätzte 50 Leute während unseres Auftritts ausharrten und zuhörten.

Abends wurde es dann noch etwas voller. Die Techniker möglicherweise auch. Denn was beim Headliner "Los Banditos" aus den Boxen kam, das war nicht zum Anhören. Und das lag definitiv nicht an der Band, denn hinter der Bühne klang es großartig.

Egal, abgehakt. Das nächste Open Air, das wir spielen, ist unser eigenes. Da können wir alles besser machen. Oder auch nicht...

Samstag, 15. Mai 2010

Master of Disaster

   
Zwei MINERS-Shows in zwei Tagen, wenn sich das mal ergibt, so freue ich mich immer ganz besonders. Da kriegt man so in etwa ein Gefühl dafür, wie es wäre, wenn man touren würde. Bei den miesen Wetterprognosen der letzten Tage hatte ich allerdings nicht ganz so viel Lust, Open Air Konzerte zu spielen. Doch da muss man durch. 

Gestern abend stand das Forsthaus Güsen auf unserer Liste. Ein langjähriger Freund, durch den ich übrigens auch DEAD MOON kennengelernt habe, wiederholt dort alljährlich seine Polterabendfeier. Ein bunter, gut gelaunter und ja, versoffener, Haufen Dreißig- bis Mittvierzigjähriger. Alle zwei Jahre schauen auch wir mit vorbei.
Das Dilemma ging am Nachmittag schon los. Als wir nämlich den Anhänger mieten wollten, war der vorbestellte nicht aufzufinden und so mussten wir mit einem Riesenungetüm Vorlieb nehmen. Wenigstens zum selben Preis. Allerdings waren wir damit sehr viel langsamer unterwegs als geplant. Ständig wurden wir von Trucks überholt. Denen habe ich dann aus der zweiten Reihe freundlich zugeprostet. Einer der Fahrer gestikulierte wild und gab uns zu verstehen, dass wir mal rechts raus fahren sollten. Taten wir. Der gute Mann folgte uns und wies uns auf dem Parkplatz darauf hin, dass wir vorne links einen Platten hätten. Das wäre uns wohl gar nicht aufgefallen, so gut wie wir unterwegs seien. Nein, niemand hatte was gemerkt. 

Die nächste halbe Stunde waren wir damit beschäftigt, einen 19er Schlüssel aufzutreiben. Schorsch seiner überlebte die erste Schraube schon nicht. Nette Türken halfen uns aus. Erstaunlicherweise hatte sogar das Ersatzrad Luft drauf und so konnten wir wenig später die Fahrt fortsetzen.  Der Terminplan war allerdings nicht mehr zu halten. Außerdem hatten die Verzögerungen und die langsame Fahrerei dazu geführt, dass uns 50 km vor dem Ziel noch das Bier ausgeging. Das ist uns noch nie passiert!

In Güsen angekommen, waren wir dann schon so lange unterwegs, dass wir erstmal in der Bahnhofsgaststätte einen Teller Bratkartoffeln mit Sülze reinschaufeln mussten. Bezahlt hat Breiti, weil er am Nachmittag die neuen Reifen aufgezogen hatte, hihihi...
Inzwischen war es dunkel und die Meute erwartete uns schon ungeduldig. Also  schnell den ganzen Mist abladen und aufbauen. Auf Bäume klettern, Spanngurte für die Lampen ziehen, Mikrofone verkabeln. Alle wollten gerne mit anpacken, doch letztlich muss man den Kram doch alleine machen, zu kompliziert. Irgendwann war es dann soweit. Die Lampen wurden hochgefahren, die Bühne wurde in gleißendes Licht getaucht und... plötzlich war es zappenduster. Woran es lag, haben wir trotz intensiver Suche nicht herausbekommen. Eine Phase war noch da und so konnten wir wenigstens laut machen, wenn auch im Dunkeln.

Das Schlagzeug hatten wir gleich im Anhänger aufgebaut. Die Boxen auch. Wie ich so nach oben kraxle, um meinen Amp einzuschalten, macht es ratsch und mir ist die Hose überm Arsch zerissen. Boris sagte, haha, das voll der Punk. Ich fands nicht so cool, weil es ziemlich zog.

Inzwischen war Mitternacht vorbei und wir konnten endlich anfangen. Und das war wirklich befreiend nach dem ganzen Mist. Das Publikum reagierte auch sofort und so hatten wir schöne 100 Minuten zusammen. Ich hatte das Gefühl, die Show meines Lebens zu spielen. Stimme gut, Gitarrensound phantastisch und die Solos glückten wie noch nie. Hat einen riesigen Spass gemacht. Danach haben wir dann noch einige weitere Biere gezischt, mit Düse, Schnulf, Jensor und den anderen Granaten. Dummerweise lasse ich mich dann meistens noch auf Schnäpse ein und die habe ich leider jetzt noch im Schädel.

Breiti hatte sich schön an Vita-Cola gehalten und fuhr uns sicher in den beginnenden Morgen. Halb acht war Freiberg erreicht und ich konnte mich ins Bett fallen lassen. Das fuhr mich noch eine Weile durchs Zimmer und ließ mich dann wenigstens drei, vier Stunden schlafen. Die Nachwirkungen des schönen Abends sind noch präsent, doch das wird schon werden. Spätestens wenn ich auf die Bühne gehe. In einer Stunde kommen die Jungs und dann fahren wir zum Soundcheck. Mal sehen, was heute noch so passiert...

Sonntag, 9. Mai 2010

Nach 43,5 Kilometern...

    

... in 4 Stunden, 45 Minuten und 16 Sekunden tat mir eigentlich nichts wirklich weh. Heute, einen Tag später, sieht es freilich etwas anders aus, doch das ist nichts im Vergleich zu der Freude über meinen allerersten Marathon.