Nachdem ich im Mai eigentlich ganz gut über den Rennsteig gekommen war - 04:45 für 43,5 km sind als Einstieg keine schlechte Zeit sagte unser Vorturner - hatte ich für den Herbstmarathon das Ziel nun etwas höher gesteckt. 04:00 wollte ich in diesem Jahr gerne noch knacken und so ganz unrealistisch ist das in der Planungsphase auch nicht mal gewesen. Allerdings kamen mir den Sommer über verschiedene andere Dinge in die Quere, mitunter stand auch nur ich selbst mir im Weg, so dass ich das Ziel zeitweise etwas aus den Augen verlor. Am Ende meiner Vorbereitung auf den Berlin-Marathon standen jedenfalls nur ganze 160 Trainingskilometer auf der Habenseite und das ist für 13 Wochen entschieden zu wenig (ich kenne Läufer, die putzen das in einer Woche weg). Jedenfalls bin ich letzten Samstag dann mit sehr gemischten Gefühlen nach Berlin gefahren.
Zum Glück gab's zuallererst ein herzliches Wiedersehen mit lieben Freunden, die eine Bahnstunde entfernt wohnen und uns zwei Tage Asyl gewährten. Armin ist selber schon mehrfach in Berlin gelaufen (Bestzeit 03:30) und hatte noch den einen oder anderen Tipp für uns. Zum Wetter allerdings konnte er wenig sagen; die letzten 20 Jahre hatte es zum Berlin-Marathon nicht geregnet.
Der Wettkampftag begann für uns mit Wecken um 5:00 Uhr. Wir waren mit der Örtlichkeit nicht vertraut und wollten nicht zu spät kommen. Eine reichliche Stunde vor dem Start waren wir im abgesperrten Start-/Zielbereich am Brandenburger Tor und das war keineswegs zu früh. Viele Läufer waren schon da und es begannen sich bereits die leidigen Schlangen vor den mobilen Toiletten zu bilden. Wettermäßig hätte es schlimmer kommen können; positiv ausgedrückt hatten wir optimale Temperatur- und Windverhältnisse zum Laufen. Dass es dazu auch dauerregnete, spielte wirklich nur anfangs eine Rolle, als wir noch fröstelnd auf den Startschuss warteten.
Unmittelbar vor uns stand ein sogenannter Pacemaker, mit der Zielzeit 04:00 und an dem versuchten wir erstmal dranzubleiben. Der eigene Puls war noch im Rahmen und die ersten 15 Kilometer sahen wir gar nicht mal schlecht aus. Zur Halbzeit waren wir mit 02:01 allerdings schon etwas abgeschlagen und der frühe Krafteinsatz zeigte erste Folgen. Mal tat es hier weh, mal da, bald überall. Den vielzitierten Mann mit der Keule bei km 35 habe ich zwar auch diesmal nicht getroffen, doch ab km 30 war sein Bruder ständig auf meiner Höhe und lachte mich aus: 'Hehehe, du wirst immer schwächer, merkst Du das?...'
Das letzte Drittel machte mir dann wirklich kaum noch Spaß. Da konnte weder das nette, aufmunternde Berliner Publikum und die vielen Straßenkapellen etwas dran ändern. Ich wollte nur noch, dass alles aufhört. Brandenburger Tor in Sicht, endlich! Was, noch mal weitere 400 m, Scheiße! Die Euphorie, die mich noch im Mai ins Ziel pushte, war diesmal einfach nicht aufzufinden. Runners High? Fehlanzeige! Frustration, Depression, Schluss mit Laufen, endgültig...
04:14:24 stand schließlich auf der Urkunde und in trockenen Kleidern mit einem Erdinger Alkoholfrei in der Hand konnte ich dann auch langsam wieder klar denken. Hey, ich hatte es immerhin geschafft (ca. 1.000 Starter gaben vor dem Ziel auf). Und ich war deutlich schneller als zum Rennsteiglauf (was hatte ich denn erwartet bei meiner lausigen Vorbereitung?). Mein Weltbild rückte allmählich wieder aus der Schieflage zurück. Und heute, zwei Tage danach, mit abklingenden Muskel- und Gelenkschmerzen kann ich fast schon so etwas wie Freude darüber empfinden, einmal an Deutschlands größtem Marathon teilgenommen zu haben; einem der fünf Majors worldwide. Fotos hab' ich allerdings keine gemacht, dafür war meine Laune am Sonntag einfach zu mies...